Bauteilattributierung zur Schadenserfassung bei Stahlbetonbauwerken am Beispiel eines Parkhauses

In dem Umsetzungsprojekt geht es um eine öffentliche Parkgarage, die im Laufe der nächsten Jahre aufwändig saniert werden muss. Die Schäden an der Tiefgarage sind teilweise so massiv, dass die Nutzung in einzelnen Bereichen eingestellt wurde und die Tragstruktur temporär mit Drehstützen verstärkt werden musste. Baumängel und Schäden im Sockel, im Sohlbereich an Stützen und Wänden von Tiefgaragen dieser Art sind keine Seltenheit, weshalb dieses Umsetzungsprojekt einen beispielhaften Charakter hat.

Kurzbeschreibung

Häufige Gründe für die entstandenen Schäden sind neben dem Verschleiß der Sohlbeschichtung das Einbringen von Tausalzen und die damit einhergehenden Chloride. Eine unzureichende Betonüberdeckung ist verantwortlich für Korrosionsbildung und Schäden in der Bewehrung. Darüber hinaus verläuft diese Tiefgarage unter einer stark befahrenen Straße. Dadurch entsteht in der Winterzeit eine große Einbringung von chloridhaltigem Wasser in die Tiefgarage, was einen starken Einfluss auf die Komplexität der Sanierung hat.

Um Schäden wie Risse, Abplatzungen und Kiesnester zu beseitigen sind detaillierte Bestandaufnahmen durchzuführen und ein umfangreiches Sanierungskonzept zu erarbeiten. Werden hier nicht alle Informationen richtig erfasst, entstehen bereits in der Planungsphase Fehler und unzureichende Sanierungsempfehlungen. Eine große Herausforderung im Bestand ist stets die Informationsbeschaffung. Wie komme ich an die Informationen, die für die Fachplaner relevant sind und wie werden diese kommuniziert und vorgehalten? Diese Fragestellung ist unabhängig von der Planungsmethode, kann aber durch die Einführung eines Gebäudedatenmodels und dessen Nutzung als Datenbank für die Planung und Ausführung grundlegend sein. Darüber hinaus, können die Daten für den weiteren Betrieb des Gebäudes genutzt werden und bei richtiger Pflege einen großen Anteil zum Werterhalt des Bauwerks beisteuern.

 

Zielsetzung

Ziel ist die Erstellung eines digitalen Gebäudedatenmodells der Tiefgarage, das alle Informationen von der Bestands- über die Schadensaufnahme bis zur Sanierung beinhaltet. Das Einbinden von Spezialsanierungsverfahren und die Einbeziehung unterschiedlicher Unternehmen in einem Sanierungsprozess erfordert die Abgrenzung von Instandsetzungsinformationen für die jeweiligen Ausführungsunternehmen.

Da viele Unternehmen und Fachplaner mit unterschiedlichen Softwareprogrammen arbeiten, erschwert dies den Datenaustausch. Daher sollte vor der Bearbeitung eines jeden Projektes unter den Beteiligten vereinbart werden, wie das Gebäudemodell erstellt werden soll und welche Softwareprogramme zum Einsatz kommen bzw. ob softwareunabhängige Methoden eingesetzt werden können, um Informationen digital und effizient zu teilen. Diese Abstimmung vor Projektbeginn wird BIM-Ausführungs-Plan (BAP) genannt und stellt die Antwort zu der Auftraggeber-Informations-Anforderung (AIA) dar. Die Kollaboration mit und zwischen den ausführenden Gewerken ist für die Umsetzung eines Projektes unabdingbar. Es soll sichergestellt werden, dass die Gewerke Zugang zu allen Informationen erhalten. Dabei ist wichtig, dass die Methoden der Informationsübergabe möglichst niederschwellig sind, um alle Beteiligte in diesem Prozess mitzunehmen.

Gegenwärtiger Status (Ausführung)

Es erfolgte eine Bestandsaufnahme der Tiefgarage inkl. aller Schäden aus den vorhandenen Unterlagen und aus eigenen Aufnahmen vor Ort. Die gesammelten Daten wurden anschließend in einem Gebäudedatenmodell hinterlegt. Um ein fehlerfreies Sanierungskonzept zu gewährleisten und umzusetzen, wurden dem Gebäudemodell alle für die Sanierung erforderlichen Informationen als Bauteilattribute zugefügt.

Während der Bestandsaufnahme ist aufgefallen, dass sich unterschiedliche Schäden an der gleichen Position (z.B. Stütze) befanden. An dieser Stelle war es für den weiteren Verlauf wichtig, neben den bauteilbezogenen Schäden auch den entsprechenden Ort des Schadens festzuhalten, damit bei der Kalkulation später auch etwaiger Mehraufwand schadens- und ortsbezogen gesondert behandelt werden konnte. Letzteres wurde durch die Einbindung entsprechender Attribute berücksichtigt. Die exakte Position der Schadensstelle ist sehr wichtig. So wurde erst während der Modellierung der Tiefgarage festgestellt, dass die Schäden nur zweidimensional in einem Grundriss aufgenommen wurden und in dem Modell keiner Höhe zugewiesen werden konnten.  Das hatte später zur Folge, dass bei der Auswertung der Untersuchungsergebnisse nicht definiert werden konnte, welcher genaue Bereich des beschädigten Bauteils wie und auf welcher Höhe zu sanieren ist. Erst eine zweite Begehung und nachträgliche Ergänzung der Höhenwerte in den einzelnen Untersuchungsstellen ergaben die notwendigen Informationsdetails. Dies verdeutlicht, welchen Mehrwert die dreidimensionale Denkweise und Informationsbeschaffung schon während der Bestandsaufnahme hat.

Das Umsetzungsprojekt endete mit der Aufnahme und der Erstellung des Modells für die Ausführung. Es wurde im ersten Schritt nur ein Teilabschnitt modelliert, da sich der Praxispartner erstmals mit der Bearbeitung eines Sanierungsprojektes als BIM-Projekt auseinandersetzt und der nötige Zeitaufwand durch das Einbinden neuer Arbeitsmethoden keine höhere Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter mit sich bringen sollte.

Es gilt demnach, dass ein Unternehmen oder eine Abteilung nach Möglichkeit neue Methoden zunächst nur in kleinen Projekten oder Projektteilen umsetzen sollte, um sich den Arbeitsweisen Schritt für Schritt zu nähern. Auch können mögliche Fehler schneller erkannt und schneller abgestellt werden als es bei einem Großprojekt möglich wäre.

Die ?richtige? Bauteilattributierung

Die richtige und einheitliche Bauteilattributierung ist der Grundstein, um das Gebäudeinformationsmodell im Projektverlauf sinnvoll und effizient zu nutzen. Doch wo fängt man an und ab welchem Punkt scheint die Vergabe von Attributen übertrieben und zu zeitaufwendig? Dazu sollte man sich erkunden, welche Möglichkeiten einem das Autorenprogramm bietet, um Attribute an Bauteile zu knüpfen. Im Fall des Umsetzungsprojektes wurden die Attributwerte mit Hilfe einer Export-Import-Maske zwischen dem Planungssoftwareprogramm und Excel in das Modell geladen. Durch dieses Vorgehen können die Attributwerte in einer Excel Tabelle in kurzer Zeit an die entsprechenden Bauteile im Planungssoftwareprogramm geheftet werden.

Bei der Sanierung der Tiefgarage wurden folgende Informationskategorien als Attribute an die Bauteile vergeben:

  • Bestand
  • Sichtbare Schäden
  • Schäden aus Untersuchungen/ Messungen
  • Instandsetzung
  • Allgemeine Informationen

Durch die Implementierung der Informationskategorien ergab sich ein detailliertes Datenmodell, das sich mit Hilfe von Listen und Filtern analysieren ließ, um beispielsweise die Kosten spezifischer Instandsetzungsverfahren oder auch den Zeitpunkt einer spezifischen Instandsetzung ermitteln zu können.

 

Bauteilidentifizierung und Informationsweitergabe

In dem Projekt wurde unter anderem auch die Weitergabe von Informationen auf der Baustelle behandelt. Eine Herausforderung ist dabei die eindeutige Beschreibung von Bauteilen, die sich in ihrer Bauart und Geometrie sehr ähneln. Beispielsweise sind die Stützen eines Parkhauses in ihrer Geometrie und Beschaffenheit in vielen Fällen identisch, wodurch bei Sanierungsarbeiten auf der Baustelle Verwechslungen entstehen können. Zwar besitzen alle Bauteile im Modell eine eindeutige ID, jedoch lässt sich mit dieser visuell nur schwer auf der Baustelle arbeiten.
Durch Einscannen eines Codes und Umwandlung in eine Zeichenkette wird ein Link gelesen, der zu einer zugewiesenen Datei in einem beliebigen Format führt. Somit entsteht die Möglichkeit, zum einen bestehende Bauteile auf der Baustelle durch einen QR Code mit hinterlegten Informationen zu bestücken und zum anderen komplexe Baupläne, sprich Grundrisse, Schnitte oder Ansichten durch QR Codes zu ergänzen, um durch den Link direkt zu einem Detailplan oder ähnlichen weiterführenden Informationen zu gelangen.Bei diesem Projekt wurde die Informationsweitergabe stattdessen durch ein bewährtes Mittel aus der Logistik Branche, dem QR Code, realisiert. Die Technik des QR Codes, Quick Response, zu Deutsch ?schnelle Antwort?, hat ihren Ursprung in der Automobilproduktion des Toyota-Konzerns.

Was bei der Untersuchung jeglicher digitalen Verfahren auf der Baustelle immer betrachtet werden sollte, ist der mobile Datenempfang in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen. Bei Baustellen im ländlichen Umfeld, unter der Erdoberfläche oder in einem Bestandsgebäude kann es schwierig sein, von einem Server Informationen abzugreifen oder aber auch an einen Planer weiterzuleiten. Hier können Offline-Lösungen Abhilfe schaffen, wobei eine regelmäßige Aktualisierung sichergestellt werden sollte, um den aktuellen Stand zwischen Soll und Ist abzugleichen.

Hier ein Link zum Thema QR Code:

https://www.youtube.com/watch?v=qWgg1StZ2Kw

 

Weitere Entwicklung/ Resümee

Die Methode BIM schafft auch im Falle der Schadensaufnahme Transparenz für alle Projetbeteiligten. Sanierungen von öffentlichen Projekten bzw. mit öffentlichem Zugang, wie das hier vorgestellte Projekt sind i.d.R. mit besonderer Transparenz zu behandeln. Das Engagement der Praxispartner spiegelt auch die besondere Sorgfalt im modernen Umgang mit Projekttypen dieser Art wieder.

Die Attribuierung von Bauteilschäden im Gebäudedatenmodell ist eine komplexe Aufgabe für den Modellierer. Das Ziel, einen transparenten und möglichst störungsfreien Bauablauf zu gewährleisten kann nur unter der Voraussetzung gelingen, dass sich die Projektbeteiligten an der Bearbeitung in digitaler Form beteiligen und sich mit ihrem Wissen und Können in diesem komplexen Prozess einbringen. Durch Nachhalten der Daten in der Bauausführung und der Aufzeichnung der tatsächlichen Ausführung (As-built), kann der Mehrwert des Datenmodells auch für das Facility Management genutzt werden. Darüber hinaus ist die Nachhaltung der Daten für den nächsten Revitalisierungsprozess von sehr hohem Wert.

 

Praxispartner im Umsetzungsprojekt

Bauplanung Nord-Oldenburg GmbH & Co. Kommanditgesellschaft
Ammerländer Heerstraße 368
26129 Oldenburg

Beteiligte Organisationen

Fachplaner Tragwerksplanung, Fachplaner SiGe-Koordination, Verkehrswegeplaner, Fachplaner Bauphysik und Gebäudetechnik
Bauplanung Nord-Oldenburg
  • Bauprozess - Planungsprozess
  • Organisationsform - Ingenieurbüro
Jade Hochschule, Fachbereich Bauwesen und Geoinformation / Lehreinheit Bauwesen

Der Fachbereich Bauwesen und Geoinformation der Jade Hochschule ist mit seinen ca. 1.500 Bauingenieur- und 400 Architekturstudenten bundesweit einer der Größten dieser Art an einer Fachhochschule. Innerhalb dieses Fachbereichs besonders hervorzuheben sind die Bachelorstudiengänge "Bauingenieurwesen" und "Wirtschaftingenieurwesen Bauwirtschaft" sowie die Master-Studiengänge "Management und Engineering im Bauwesen" und "Facility Management und Immobilienwirtschaft".BIM-Aktivitäten an der Jade Hochschule konzentrieren sich an dem im Jahr 2010 gegründeten "Institut für datenbankorientiertes Konstruieren im Ingenieurbau". Seither hat sich die Jade Hochschule umfangreiche Kompetenzen bei der Verankerung von BIM-Methoden in der Ingenieurausbildung erarbeitet. Diese haben zunächst im Lehrplan des Bachelor-Studiengangs Bauingenieurwesen Eingang gefunden. So werden bereits im Grundstudium Gebäudemodelle mithilfe von objektorientierten CAD-Programmsystemen erstellt und anhand von 3d-Drucken verifiziert. Im darauf aufbauenden konsekutiven Master-Studiengang ?Management und Engineering im Bauwesen? stehen Projektarbeiten im Vordergrund, deren zentrale Aufgabe eine datenbankbasierte Modellierung eines Ingenieurbauwerks ist, einschließlich der Simulation von Bauablauf und statischer Beanspruchungen. Das virtuelle 3d-Modell liefert die Daten zur Massenermittlung, Bauablaufplanung und Ausschreibungsplanung. In Kooperation mit Ingenieurbüros und Bauunternehmen sind diverse Bachelor- und Masterarbeiten mit BIM-Inhalten entstanden. Diese haben zum Teil überregionale Auszeichnungen erhalten, beispielsweise durch die Ingenieurkammer Niedersachsen.

  • Oldenburg
  • Bauprozess - Planungsprozess
  • Organisationsform - Universität/Fachhochschule

News

ALT: BIM-Quartalsmeeting, Bauteilattributierung zur Schadenserfassung bei Stahlbetonbauwerken am Beispiel eines Parkhauses, Sanierung im Bestand: Keller der Jade Hochschule in Oldenburg
Bestandserfassung 4.0 – große Resonanz für das BIM-Frühjahrsmeeting Oldenburg
10.05.2019
Beim BIM-Frühjahrsmeeting in Oldenburg am 8. Mai 2019 drehte sich alles um Planen und Bauen in Bestandsgebäuden. Der Ort des Frühjahrsmeeting war Veranstaltungsort und Anschauungsobjekt zugleich: Das "Schlaue Haus" von Oldenburg wurde vor wenigen Jahren aufwändig saniert, wobei moderne und nachhaltige Technologien eingesetzt wurden. Genau diese waren Gegenstand des Frühjahrsmeetings, das restlos ausgebucht war und auf große Resonanz bei kleinen und mittelständischen Unternehmern stieß. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen lud am 8. Mai zum Vortragsnachmittag ins Schlaue Haus Oldenburg ein. Die rund 40 Teilnehmer informierten sich in drei Vorträgen zu den Themenfeldern der zeitgemäßen Bestandserfassung und des Bauens im Bestand.
  • Bauprozess - Planungsprozess