Fachbeitrag | Vorstellung der Angebote des Kompetenzzentrums


Kompetenz vermitteln, nicht nur darüber reden. Digitalisierung jetzt! Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen unterstützt kleine und mittlere Unternehmen sowie Handwerksbetriebe bei der digitalen Transformation. Die umfassenden Angebote sind gratis.

Wer in das Suchfeld der größten Internetsuchmaschine allein das Wort „Digitalisierung“ eintippt, bekommt über 26 Millionen Treffer angezeigt. Der Begriff ist allgegenwärtig und inflationär in Gebrauch. Jeder sagt, „Du musst Dich digitalisieren“, und insgeheim nicken die meisten zustimmend. Neue Stellenbezeichnungen wie Chief Digital Officer, Referent Digitale Transformation oder Consultant digital sind entstanden. Satya Nadella, CEO von Microsoft, prophezeite schon 2013, dass wir in den nächsten 10 Jahren an einem Punkt angekommen sind, an dem nahezu alles digitalisiert sein wird. Doch die Realität sieht momentan anders aus. Denn noch immer gilt die deutsche Baubranche als Spätzünder in der Digitalisierung, so eine Studie des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Die Studie hat den Einsatz digitaler Technologien gegenüber anderen Branchen verglichen. Andererseits ist derzeit gut die Hälfte der Unternehmen im digitalen Wandel, so wiederum das Ergebnis der vierten Digitalisierungsstudie des Zentralen Immobilien Ausschuss ZIA. Im Ergebnis aber bleibt es dabei: Besonders der Mittelstand in Deutschland ist bei der Digitalisierung noch immer zurückhaltend. Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) hat im vorigen Jahr ermittelt, dass die Unternehmen vor allem die Investitionen als zu hoch einschätzen. Ebenso hapert es an IT-Personal, Wissen und mangelnder Kenntnis der technisch notwendigen Lösungen.

Die Digitalisierung vorantreiben

Diese Zurückhaltung bei der Digitalisierung des deutschen Baugewerbes sowie der Informationsbedarf kleiner und mittelständischer Bauunternehmen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veranlasst, die Initiative Mittelstand-Digital ins Leben zu rufen. Diese verfügt mit ihrem für die Baubranche zuständigen Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren Planen und Bauen (M40KPB) über eine kompetente Anlaufstelle für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) und Handwerksbetriebe der gesamten Wertschöpfungskette Planen und Bauen. Konkret unterstützt das unabhängige M40KPB bei der Digitalisierung und beim Einstieg in die Building Information Modeling (BIM)-Methode. Die Leistung des Kompetenzzentrums ist gratis, erfordert aber von den Unternehmen selbst Initiative und den Willen sich zu digitalisieren.

Entlang der Wertschöpfungskette Bau

Das M40KPB ist bundesweit mit seinen regionalen Standorten vertreten. Jeder Standort ist durch ein Teilzentrum vertreten, das sein Themengebiet entsprechend der Wertschöpfungskette Bau hat. Das Thema Projektentwicklung wird vom Institut für Mittelstandsforschung (ifm) der Universität Mannheim am Standtort West koordiniert. Den Themenbereich Planung koordiniert die Jade Hochschule in Oldenburg am Standort Nord. Am Standort Ost betreut das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg das Thema Bauen. Ums Handwerk kümmert sich der Standort Mitte am eBusiness-KompetenzZentrum in Kaiserslautern. Der Themenbereich Betreiben schließlich wird vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP am Standort Holzkirchen koordiniert.

KMU können sich vor Ort am jeweiligen Standort informieren und konkrete digitale Methoden und Techniken kennenlernen. Dabei schöpfen interessierte KMU aus einem Fundus von Nachrichten und Fachbeiträgen, Veranstaltungen, sogenannten Demonstratoren und Branchenevents.

Informieren und Qualifizieren

Die vielseitigen wie kostenfreien Veranstaltungen des M40KPB setzen sich zusammen aus Workshops, Fachsymposien und Sprechstunden. Sie bieten in erster Linie das nötige Rüstzeug für den Einstieg ins digitale Planen und Bauen, der Fokus liegt hier auf der Methode BIM. Diesem Thema widmen sich gleich mehrere Veranstaltungsformate, von denen die BIM-Sprechstunde als individuelles Angebot vor allem für Planer interessant ist. Das BIM-Frühstück richtet sich etwas weiter gefasst an Mitarbeitende in KMU der Bau- und Immobilienwirtschaft, die sich der Methode BIM und der Digitalisierung von Planungs-, Bauausführungs- und Betriebsprozessen annähern möchten. Jeden Donnerstag steht zudem die Künstliche Intelligenz (KI) im Mittelpunkt: Experten klären in der online stattfindenden KI-Sprechstunde allgemeine Fragen zu KI fürs Planen und Bauen oder informieren über Vorträge, Webinare und konkrete Umsetzungsprojekte.

Anders als die Sprechstunden legen die angebotenen Workshops ihren Fokus auf die Qualifizierung in der Praxis. In wiederkehrenden „Konvoi-Workshops“ etwa – speziell fürs Handwerk – lernen Mitarbeitende sowohl digitale Werkzeuge und Methoden unter sachkundiger Anleitung kennen als auch deren praktische Umsetzung im Unternehmen. Die Ergebnisse werden in nachfolgenden Treffen besprochen und hinsichtlich Tauglichkeit bewertet.

Willkommen in der Zukunft

Ein spezielles Angebot sind die Demonstratoren des M40KPB, wie zum Beispiel VR-Laboratorien, in denen digitale Technologien und Anwendungen konkret erprobt und getestet werden, etwa die Einrichtung IoT Experience Lab zur schnellen Entwicklung innovativer IoT-Lösungen parallel zur Ermittlung ihres konkreten Nutzens.

Schon wegen seiner Ausmaße sei hier der Elbedome in Magdeburg hervorgehoben. Der Dome ist ein zylindrischer Bau, 4,5 Meter Höhe, ein Durchmesser von 16 Metern und insgesamt 200 Quadratmeter Nutzfläche sprechen für sich. Im Inneren erzeugen 25 Hochleistungsprojektoren ein Bild im Raum, 360 Grad rundherum. Er ist daher bestens geeignet für die maßstabsgetreue Darstellung großer Objekte wie zum Beispiel Maschinen, Anlagen oder Fabriken. Der Elbedome selbst erzeugt keine Simulation, sondern zeigt vielmehr die Ergebnisse als interaktive 3D-Simulation. Die Ergebnisse müssen zuvor auf einer Entwicklungsplattform entsprechend aufbereitet werden. Das Angebot richtet sich an Bauherren, Projektentwickler, Planer und Projektsteurer.

Ab in die Praxis

Grau ist alle Theorie. Und so wichtig Vorträge und Fachbeiträge sind, beim M40KPB steht die Praxis im Vordergrund. Denn nur dort lassen sich konkrete Maßnahmen ermitteln, testen und bewerten. In Praxis- und Umsetzungsprojekten mit KMU aus Planung und Ausführung werden dafür Lösungen fürs digitale Planen und Bauen verwirklicht und in den betrieblichen Ablauf eingebunden. Wie das genau abläuft, erläutert Christian Kreyenschmidt von der Jade Hochschule Oldenburg, Institut für Datenbankorientiertes Konstruieren: „Wir kommen zusammen mit KMU aus der Bauplanung und überlegen gemeinsam wie wir Sie in neuen Prozessen und Workflows in der digitalen Bauplanung und Ausführung unterstützen können.“

Jedes Projekt werde gemeinsam mit einem Praxispartner umgesetzt. Auf diese Weise würden Erfahrungen darüber gesammelt, was die KMU umtreibt und wo sie stehen. Die KMU profitieren vom Hochschulnetzwerk und der gesammelten Erfahrung aus dem Kompetenzzentrum. Entscheidend sei am Ende, dass die Erfahrungen und Erkenntnisse veröffentlicht werden, damit auch andere Unternehmen davon profitieren und Lösungen übernehmen, so Kreyenschmidt. Als Beispiel nennt er das Projekt eines Studierenden, das gemeinsam mit einem Unternehmen umgesetzt wurde. „Das Unternehmen wollte ein Parkhaus sanieren. Der Studierende hatte sich im Rahmen der Masterarbeit überlegt, wie man die Gegebenheiten bzw. die Schäden, dessen Lage sowie die einzelnen Sanierungsmethoden in einem Gebäudedatenmodell vor der Sanierung mithilfe digitaler Werkzeuge erfassen und planen kann. Unterstützung gab es hier seitens der Hochschule“, erläutert Kreyenschmidt.

Starkes Netzwerk an Kooperationspartnern

Nicht nur für die Praxisprojekte setzt das M40KPB auf Unterstützung von außen. Der Ausbau des Netzwerks und der damit verbundene Wissenstransfer stehen im Mittelpunkt. Dafür werden in erster Linie Verbände und Kammern aus der Baubranche als Multiplikatoren gewonnen. Der Hintergrund: Wenn das M40KPB die Multiplikatoren erreicht, erreicht es auch die Mitglieder. 

„Mittlerweile konnten wir über 50 Kammern und Verbände für eine Kooperation begeistern“, erzählt Tania Ost von der planen-bauen 4.0 GmbH, die als Projektpartner im M40KPB den Kontakt zu den Multiplikatoren herstellt. „Natürlich haben wir die großen Bauverbände an Bord, aber wichtig ist uns die Vielfalt. Deshalb gehen wir auf Vertreter der Architekten und Ingenieure ebenso zu wie auf Handwerkskammern. Außerdem beschränken wir uns nicht auf die Baubranche, sondern suchen auch Anschluss an angrenzende Branchen aus den Feldern Umwelt, Energie oder Technologie“, so Tania Ost.

Konkret geht es zudem darum, alle Angebote der einzelnen Verbände wie Leitfäden, Stellungnahmen, Studien, Weiterbildungen oder Veranstaltungen für die KMU auf der Website des M40KPB zu bündeln oder auf jeweilige Angebote hinzuweisen. Voraussetzung dafür ist ein regelmäßiger Austausch mit den Multiplikatoren, der eine fruchtbare Zusammenarbeit ermöglicht. Die gipfelt auch in gemeinsamen Workshops oder Fachveranstaltungen. Der Multiplikator hat ein Thema, das seinen Mitgliedern unter den Nägeln brennt. Das M40KPB findet innerhalb seines Netzwerks passende Referentinnen oder Referenten. Der Multiplikator kümmert sich dann um die Moderation und um den Veranstaltungsort.

Wegen der Coronapandemie werden die Workshops momentan als Videokonferenzen übertragen, die in der Breite allerdings noch nicht die volle Akzeptanz haben. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Der kann schwierig zu begehen sein, wie der Weg der Digitalisierung eines Betriebs. Aber es ist möglich. Das M40KPB liefert dafür entscheidende Impulse im Zeichen des Wissenstransfers. 

 

Eine kürzere Version dieses verlinkten Beitrags ist vorab im aktuellen BIM Magazin erschienen. Das Magazin ist ein Begleitheft zum BIM-TAG Deutschland 2020 und enthält weitere Beiträge sowie Statements aus der Branche und Lösungsbeispiele u.a. zu cloud-basierten Kommunikationsplattformen, BIM für den Betrieb und Hochtechnologie als App für dem Bau.


14.10.2020