Durchgängig digitales Handwerk


Der Holzbau stellt im Bauwesen das Gewerk mit dem höchsten Digitalisierungsgrad dar. Was heute möglich ist und wo Chancen sowie die Grenzen moderner Holzverarbeitung liegen, erklären Gerd Prause, Geschäftsführer der Prause Holzbauplanung GmbH & Co.KG sowie Florian Hamacher, Geschäftsführer der Hamacher Holzbau GmbH.

Herr Prause, Ihr Unternehmen sieht sich als planerisches Zwischenglied zwischen den Architekten und den Holzbauunternehmen. Welche Arbeiten übernehmen Sie genau?

Gerd Prause: Prause Holzbauplanung erstellt die Arbeitsvorbereitung bzw. die Werkstattplanung für Holzbaubetriebe. Dies beinhaltet immer auch die Maschinenansteuerung für den Stabzuschnitt und die Multifunktionsbrücken, die die Vorfertigung der Holzbauelemente übernehmen. Wir machen auch digitale Aufmaße und erstellen die Statik und die bauphysikalischen Nachweise für Holzbauvorhaben.

Welchen Stellenwert hat die digitale Planung für den Holzbaubetrieb und warum übergeben die Holzbaubetriebe diese Leistungen an Sie?

Gerd Prause: Der Holzbau ist unter den Handwerksgewerken im Bauwesen das digitalisierteste Gewerk, weil er den computergesteuerten Zuschnitt der Hölzer seit über 30 Jahren praktiziert. Mit dem Aufkommen der Abbund- und Fertigungsanlagen wurde es seinerzeit notwendig, diese digital anzusteuern. Daraus entwickelte sich die dreidimensionale Holzbauplanung und damit ein digitaler Prozess. Diesen übernehmen wir zum einen für Betriebe, die dies selbst nicht leisten können oder wollen – weil z.B. das Bauvorhaben zu kompliziert oder zu groß ist. Zum anderen fangen wir Auftragsspitzen von Unternehmen ab, die die Planung andernfalls auch selbst übernehmen können.

Florian Hamacher: Wir planen auch selbst, geben aber den Großteil der Planungsarbeiten ab, weil wir die Kapazitäten dafür nicht haben. Für uns als Holzbaubetrieb ist die externe Planung durch Prause sehr komfortabel, da ein Komplettpaket mit Statik, Bauphysik und Holzbauplanung erstellt wird. Dadurch werden die Reibungsverluste und Schnittstellen minimiert.

Welche Leistungen beinhaltet die Holzbauplanung genau?

Gerd Prause: Wir decken die komplette Kette der digitalen Planung ab. Dies beginnt beim Bauen im Bestand mit dem digitalen Aufmaß der vorhandenen Bauteile. Wenn man z.B. eine Baulücke bebaut, müssen die fertigen Wände ja millimetergenau in diese Lücke passen. Also muss vorher aufgemessen werden. Für ein optimales Aufmaß kombinieren wir eine Vermessung mit dem Tachymeter mit einer Laserscan-Messung und lassen die so generierte Punktwolke im Anschluss in unser CAD-Programm einfließen. Sie bildet die Basis für die Modellierung der Wände und Decken und die weitere Holzbauplanung. Beim Neubau beginnen wir mit der Planung auf Basis der Architekteninformationen. Teilweise erhalten wir 3D-Pläne, teilweise noch Papier, teilweise Planungen mit BIM. Je nach Auftrag erstellen wir auf dieser Basis auch die Statik und Schall- und Wärmeschutznachweise. Werden Fachplanungen zugeliefert, gleichen wir die Angaben ab, um Widersprüche auszumerzen. Von einzelnen Planungsbüros wie Astoc Architects and Planners oder Dietrich Untertrifaller Architekten ZT GmbH erhalten wir eine holzbaugerechte BIM-Planung, die wir übernehmen. In allen anderen Fällen generieren wir selbst ein 3D-Modell – da der Holzbau grundsätzlich eine 3D-Planung für die Fertigung benötigt.

Welche Herausforderungen bestehen dabei?

Florian Hamacher: Zum einen muss klar definiert sein, welchen Umfang der Auftrag des Holzbaubetriebes umfasst. Es macht bei der Planung einen Unterschied, ob nur der Rohbau geliefert wird oder ein schlüsselfertiges Gebäude. Wenn die Fassade und Fenster z.B. in unserem Leistungsumfang sind, muss die Planung wesentlich mehr Details beinhalten, da auch die Fassade und Fenster im 3D Model dargestellt werden müssen. Fassade und Fenster können so auch vorab im Werk eingebaut werden und die Montagezeit auf der Baustelle wird reduziert.

Gerd Prause: Die größte Herausforderung besteht allerdings darin, die Infos aller Beteiligten zu überprüfen und zusammenzuführen, denn wir in unserer Eigenschaft als Vertreter des Holzbaubetriebs sind die letzten in der Kette. Was wir eingeben, wird so zugeschnitten, gefertigt und montiert. Um sicher zu gehen, dass die Vorstellungen der Bauherren und Fachplaner auch tatsächlich umgesetzt werden sollen und miteinander harmonieren, erstellen wir im Zuge der Eingabe auch noch Freigabezeichnungen, die wir mit den Fachplanern, den Architekten und den Bauherren abstimmen und freigeben lassen. Alle Fachinformationen fließen in unser 3D-Modell ein, sodass auf dieser Basis auch eine Schlusskollisionskontrolle erfolgt.

Was beinhaltet die Planung, die Sie seitens Prause Holzbauplanung übergeben?

Gerd Prause: Wir übergeben immer die Planung für den Stababbund an den Abbundanlagen und auf Wunsch auch die Planung für die Wandfertigung an Multifunktionsbrücken – die entweder direkt beim Holzbaubetrieb stehen oder bei entsprechenden Zulieferern. Wir übernehmen auch die Planung für die händische Fertigung und die Montage und legen fest, was wann an welcher Stelle montiert wird. Zudem generieren wir aus dem Programm heraus die Listen, nach denen das Material bestellt wird, Holz ebenso wie Fenster, Türen, Raffstores und Rollladen. Dies ist wichtig, damit die Bestellung auch mit der Planung übereinstimmt. Deshalb müssen die Listen auch mit dem Angebot abgestimmt werden, das der Holzbaubetrieb gemacht hat. Die Abstimmung stellt auch für diesen Punkt die größte Herausforderung dar, zumal unser 3D-Modell nicht nur alle geometrischen Informationen enthält. Es integriert z. B. auch Daten zur Güteklasse des Holzes, ob dieses sichtbar bleibt oder verkleidet wird und mit welcher Farbe gestrichen wird. Früher waren nur geometrische Informationen für die Maschinenansteuerung notwendig. Doch mit der zunehmenden Digitalisierung des Holzbauprozesses fließen immer mehr alphanumerische Infos in das Modell ein. Wir liefern zusätzlich auch noch eine Transportplanung, die die gewünschte Anzahl und Reihenfolge der Wände auf den LKWs dokumentiert, die das Material auf die Baustelle liefern. Auch welche Wände und Decken in welcher Reihenfolge aufgesetzt werden sollen, liefern wir auf Wunsch als Film mit und begleiten so die Montage digital.

Welche Grenzen gibt es beim digitalisierten Handwerksprozess?

Florian Hamacher: Alle Zuschnitte erfolgen durch automatisierte Maschinen. Die Fertigung erfolgt bei uns teilautomatisiert, wobei die Maschine den Großteil der Arbeit übernimmt. Wir legen beispielsweise die Riegel eines Wandelements auf die Multifunktionsbrücke, fixieren sie und legen die Platten auf. Dann übernimmt die Multifunktionsbrücke, verklammert alles und sägt die Öffnungen heraus. Somit können kurzfristige Änderungen oder Anpassungen nicht mal eben von Hand ergänzt werden, da die Maschine nur exakt die Daten verarbeitet, die im 3D Model enthalten sind. Um den kompletten Prozess vollautomatisiert zu steuern, wie es etwa im Fahrzeugbau üblich ist, fehlen allerdings vielfach noch Standards. Zudem bauen wir einfach viele Unikate. Auf der Baustelle unterstützen Laserscans und Tachymeter beim Einmessen von Bodenplatten oder bei der digitalen Kontrolle, z.B. wenn gecheckt wird, ob der Fertigkeller auch tatsächlich in die Baugrube passt. Doch die Montage erfolgt immer noch analog.

Womit schließt der Holzbauplanungsprozess ab?

Gerd Prause: Wir lassen auf Wunsch das komplette Aufmaß aus dem Modell in die Abrechnung einfließen.

Wie erfolgt dies?

Gerd Prause: Das geschieht über Schnittstellen, weil viele Handwerksbetriebe mit Excellisten arbeiten. Es gibt im Holzbauhandwerk etwa ein halbes Dutzend CAD/CAM-Programme und rund zehn Programme zur Nachkalkulation und Abstimmung. Hier gilt es, die passende Schnittstelle zu eruieren – und dazu treffen wir uns im jeweiligen Holzbaubetrieb. Denn zum einen muss im Programm festgelegt werden, was eingelesen werden kann. Zum anderen muss geklärt werden, was ausgegeben wird. Das gilt es festzulegen und ein paarmal auszuprobieren, bis alles funktioniert. Dafür braucht es das Gespräch. Im Grunde genommen bedeutet Digitalisierung vor diesem Hintergrund auch, dass wir mehr miteinander sprechen als vorher. Sonst funktioniert die Digitalisierung nicht.


16.08.2022