Wirtschaftliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wertschöpfungskette Planen und Bauen: eine Übersicht


Ob Projektentwickler, Bauingenieure, Architekten oder Handwerker – die Corona-Pandemie wird auch die wirtschaftlichen Prozesse der Wertschöpfungskette Planen und Bauen beeinflussen. Erste Prognosen und Umfragewerte zu möglichen Auswirkungen der Pandemie werden im nachfolgenden Beitrag zusammengefasst.

Prognosen und Umfragen können eine erste Orientierung über die weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen im Zuge der Corona-Pandemie geben. Aufgrund bestehender Unsicherheiten und erschwerter Datenlage können erstere jedoch nur unter Einbezug verschiedener Szenarien erfolgen. Diese Prognoseszenarien basieren zumeist auf unterschiedlichen Annahmen über den Verlauf und die Folgen des Coronavirus. So prognostiziert etwa der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unter der Annahme, dass eine Normalisierung der wirtschaftlichen Lage bereits im Sommer 2020 eintreten wird, einen Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) von -2.8 Prozent für das laufende Jahr. Aufgrund der erwartbaren Aufholeffekte könnte das Wirtschaftswachstum jedoch im Folgejahr wieder auf 3.7 Prozent ansteigen. Doch mit welchen möglichen Folgen kann die Baubranche rechnen?

Deutliche Verzögerung der wirtschaftlichen Auswirkungen in der Baubranche erwartet

Die Unternehmensberatung Roland Berger hat drei unterschiedliche Prognoseszenarien bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die deutsche Baubranche skizziert. Dabei zeichnet sich mit Blick auf alle drei Szenarien insgesamt ein zeitverzögerter Rückgang der Wachstumsrate in der Baubranche ab. Dieser wirtschaftliche Einschnitt könnte laut Prognose dann vor allem im ersten und zweiten Quartal des Jahres 2021 eintreten. Gefolgt von einer positiven Trendwende im dritten Quartal desselben Jahres, könnte eine wirtschaftliche Erholung der Baubranche bereits im vierten Quartal einsetzen. Eines der drei Szenarien geht etwa davon aus, dass es insgesamt zu einer zwölfwöchigen wirtschaftlichen Unterbrechung in Deutschland kommen könnte. Hier wird angenommen, dass weniger Investitionen in Bestandsbauten getätigt werden. Zudem würde sich bereits ab Sommer 2020 ein leichter Rückgang der Wachstumsrate aufgrund der steigenden Anzahl von verschobenen oder aufgekündigten Planungsprojekten abzeichnen. Dies würde vor allem gewerbliche und private Immobilienprojekte betreffen. In diesem Szenario wird für das laufende Jahr ein Rückgang der jährlichen Wachstumsrate in Höhe von -2.7 Prozentpunkten für die Baubranche prognostiziert, für 2021 sogar ein Rückgang von -4.1 Prozentpunkten. Eine vollständige wirtschaftliche Erholung der Baubranche würde sich demnach erst ab dem vierten Quartal im Jahr 2021 abzeichnen. Grundsätzlich sollten wirtschaftliche Prognosen wie die vorliegende jedoch mit Vorsicht betrachtet werden, auch weil diese der dynamischen Entwicklung des Coronavirus sicherlich nicht gerecht werden können. Zudem müssen solche Prognosen stets an die politischen Entscheidungen angepasst werden. Ergänzend zu dieser ersten Prognose für die gesamte deutsche Baubranche, werden nachfolgend nun auch Ergebnisse aus Umfragen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf einzelne Akteursgruppen der Wertschöpfungskette Planen und Bauen dargelegt. 

Sinkendes Investmentvolumen und herausfordernder Gewerbeimmobilienmarkt für Projektentwickler

In einer Online-Befragung der Unternehmensberatung Ernst&Young mit Akteuren des Immobiliensektors zeichnen sich deutliche wirtschaftliche Auswirkungen insbesondere für Einzelhandels- und Büroimmobilien ab. Aufgrund der derzeitigen Schließung des Einzelhandels erwarten 87 Prozent der Befragten sinkende Preise für Gewerbeimmobilien. Auch im Zuge des neuen digitalen Büroalltages rechnen die Hälfte der Befragten mit einem Preisrückgang von Büroimmobilien. Zwar erwartet die Mehrheit der Befragten noch eine relativ stabile Preisentwicklung für Wohnimmobilien und Lagerkapazitäten, dennoch rechnen bereits 76 Prozent der Befragten insgesamt mit einem Rückgang des Investmentvolumens. Eine abnehmende Nachfragedynamik sehen die befragten Unternehmen vor allem im Bereich der Neubauten (86 Prozent) sowie der Investitionen in Bestandsimmobilien (61 Prozent). Hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Baufinanzierung vermuten zudem 71 Prozent der Befragten eine Gefährdung laufender Projektfinanzierungen.

Gedämpfte Umsatzerwartungen bei den Architekten

Im Rahmen des Architektenbarometers von BauInfoConsult wurden Mitte März rund 900 Architekten im europäischen Vergleich zu ihren aktuellen Auftrags- und Umsatzerwartungen befragt. Dabei gehen 43 Prozent der befragten Architekten in Deutschland angesichts der Corona-Pandemie von negativen Umsatzeffekten aus. Zum Vergleich: in einer ähnlichen Befragung im ersten Quartal 2020 waren es lediglich 10 Prozent. Der geschätzte durchschnittliche Umsatzverlust bei den Architekten in Deutschland beläuft sich dabei auf -29 Prozent. Dennoch zeigen sich deutsche Architekten vor allem im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern noch am zuversichtlichsten. In Italien rechnen beispielsweise 88 Prozent der befragten Architekten mit negativen Umsatzeffekten.

Solide Aufstellung der Bauingenieure

Eine Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen des Verbands beratender Ingenieure (VBI) Anfang April ergab, dass bei einem Drittel der befragten Unternehmen bis zu 30 Prozent der laufenden Projekte durch das Coronavirus beeinträchtigt werden. Bei lediglich 11 Prozent der Unternehmen zeigt sich eine Beeinträchtigung in der Hälfte der Projekte. Auch erwarten zwei Drittel der befragten Unternehmen, dass sie die Corona-Krise ohne Beanspruchung von staatlichen Hilfen überstehen können. VBI-Präsident Jörg Thiele äußerte sich in der zur Umfrage korrespondierenden Pressemitteilung wie folgt: „Die Auftragsbücher der meisten Ingenieur- und Architekturbüros sind noch voll, wie unsere Konjunkturumfrage erst im Februar ergab. Weniger neue Aufträge sind über einen kurzen Zeitraum verkraftbar, solange bereits laufende Projekte tatsächlich weitergeführt und offene Rechnungen pünktlich beglichen werden.“

Starker Einbruch im Ausbaugewerbe

Auch der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) ermittelte in einer Umfrage die wirtschaftliche Betroffenheit des Handwerks angesichts der Corona-Pandemie. Dabei zeigten sich 73 Prozent der befragten Handwerksbetriebe im Ausbaugewerbe von einem Umsatzrückgang betroffen, im Bauhauptgewerbe 61 Prozent. Wirtschaftliche Einbußen machten sich laut Umfrage mitunter im Umsatzrückgang, in Auftragsstornierungen und durch fehlendes Personal bemerkbar. Zudem ergab die Umfrage, dass im Ausbaugewerbe mit einem Umsatzrückgang von -45 Prozent und im Bauhauptgewerbe von -40 Prozent gerechnet wird.

Ob Projektentwickler, Bauingenieure, Architekten oder Handwerker – die Corona-Pandemie wird mittel- bis langfristig auch nicht vor der Wertschöpfungskette Planen und Bauen halt machen. Und zeigt bereits jetzt vereinzelt spürbare Auswirkungen. Gestärkt aus der vorherigen Boomphase und durch die Aufrechterhaltung der Baustellen in Deutschland, steht die Baubranche aber insgesamt noch relativ gut da, vor allem im Vergleich zu Branchen wie etwa dem Einzelhandel, der Gastronomie oder des Tourismus.


14.04.2020