Wie lassen sich digitale Bestandsdaten, BIM und Extended Reality (XR) im Bauwesen zusammenbringen – und was hat all das mit zukünftigen Mondmissionen zu tun? Im Rahmen des Mittelstand-Digital Zentrums Bau zeigte das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT am 30. Oktober 2025 auf dem Campus Schloss Birlinghoven in Sankt Augustin, wie groß die Spannweite inzwischen ist: vom digital dokumentierten Institutsstandort bis zu Baukonzepten für lunare Habitate. Zahlreiche Ingenieur:innen, Architekt:innen und XR-Interessierte nutzten den Abend zum Informieren, Ausprobieren und Netzwerken. Durch das Programm führte Journalist Thomas Riedel. Dr. Leif Oppermann fand ein paar einleitende Worte für den Abend.
Link zur Eröffnung: https://youtu.be/5MS0750penU
Vom digitalen Campus zum landesweiten Zwilling
Den Auftakt machte Frank Krings, Leiter der Liegenschaftsdienste am Fraunhofer-Institutszentrum Schloss Birlinghoven. Unter dem Titel „Digitale Bestandsdaten mit BSCW und BSync: Grundlage für Betrieb und digitalen Zwilling“ zeigte er, wie der Campus vollständig digital dokumentiert ist und wie diese Daten den täglichen Betrieb unterstützen – von der Instandhaltung über Umbaumaßnahmen bis hin zur Planung eines digitalen Zwillings. Deutlich wurde: Ohne konsistente, aktuelle Bestandsdaten bleibt der „digitale Zwilling“ ein Wunschbild.
Link zum Vortrag: https://youtu.be/9MxCDj7LmV0
Daran knüpfte Dr. Hagen Buchholz, CEO der OrbiTeam Software GmbH & Co. KG, an. In seinem Vortrag „Digitaler Zwilling Mecklenburg‑Vorpommern: BSCW als BIM‑Kollaborationsplattform“ stellte er vor, wie BSCW bereits heute im Straßenbau eingesetzt wird. Neue Funktionalitäten wie ein integrierter BIM-Viewer und KI-gestützte Planprüfungen erleichtern die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen, Planungsbüros und Bauunternehmen und machen die Potenziale eines landesweiten digitalen Zwillings greifbar.
Link zum Vortrag: https://youtu.be/3Lz1AkfsV34
XR im Bau: Von Prototypen zu produktiven Workflows
Im dritten Vortrag rückte die XR-Perspektive in den Vordergrund. Urs Riedlinger (Fraunhofer FIT) zeigte am Beispiel konkreter Projekte, wie XR-Prototypen im Bauwesen nutzerzentriert und iterativ entstehen. Im Fokus standen strukturierte Anforderungserhebung, Co-Design mit Fachanwender:innen sowie die Übersetzung von ersten Ideen in belastbare Workflows. So wurde deutlich, dass XR im Bau weniger ein „Showcase-Thema“ ist, sondern zunehmend Teil produktiver Prozesse – etwa bei Bestandsaufnahme, Bauwerksprüfung oder Baufortschrittsdokumentation.
Link zum Vortrag: https://youtu.be/sTBALap4-ys
Blick in den Orbit: Raumfahrt als Extremfall des Bauens
Das inhaltliche Highlight des Abends bildete der Vortrag von Dr. Valentina Sumini (Politecnico di Torino und MIT Media Lab – MIT Space Exploration Initiative). Unter dem Titel „Beyond Earth: XR Exploration for Space Architecture & Robotics“ spannte sie den Bogen zu den kommenden ESA-Luna-Missionen und diskutierte, wie sich Architekturen und Habitate für extreme Umgebungen planen lassen. XR dient hier sowohl als Entwurfswerkzeug für Architekt:innen als auch als Trainings- und Simulationsumgebung für robotische Systeme und zukünftige Crews. Die Verbindung zu den vorgestellten digitalen Zwillingen auf der Erde wurde greifbar: Wer unter extremen Bedingungen bauen will, braucht robuste, digitale Modelle – ob in Mecklenburg‑Vorpommern oder am Mond-Südpol.
Link zum Vortrag: https://youtu.be/UUgVCGajspk
Hands-on bis 23 Uhr: Demos, Austausch und Ausblick
Im Anschluss an die Vorträge wurde es praktisch: Von 21:00 bis 23:00 Uhr konnten die Teilnehmenden an zahlreichen Stationen XR- und BIM-Anwendungen selbst erleben und diskutieren.
Zu den Demos zählten unter anderem:
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ein Gaussian Splat eines Institutsraums auf der Apple Vision Pro, erzeugt aus rund 900 Fotos,
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der digitale Bauzaun, der mithilfe von WebAR und virtuellen Visualisierungen einen Schulneubau in Troisdorf für alle zugänglich macht,
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ARBridgeToGo zur strukturierten Schadensaufnahme und Verortung direkt am BIM-Modell – ein aktuelles Thema nicht zuletzt vor dem Hintergrund jüngster Ereignisse im Bereich der Bauwerksprüfung,
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das Projekt WIRKsam, das eine KI-unterstützte Qualitätskontrolle im Fahrzeugbau in Virtual Reality erlebbar macht,
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eine kooperative AR-Station für den TouchTomorrow-Truck der Dr. Hans-Riegel-Stiftung (Meta Quest 3, Handtracking, Gamification, ausgezeichnet mit dem DIVR XR Science Award 2024),
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SCeTGo 2.0, eine mobile AR-Anwendung zur anschaulichen Vermittlung von Quantenphysik,
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das Projekt „Digital Moon“, das den Südpol des Mondes als realistische XR-Umgebung sowie als architektonische Visualisierung eines Oberflächen-Habitatmoduls zeigt,
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sowie ALVISTO, eine Lösung zur automatisierten Oberflächeninspektion, bei der per KI erkannte Hagelschäden als präzise AR-Markierungen direkt auf dem Fahrzeug angezeigt werden.
Bei Kaltgetränken und Snacks nutzten viele Gäste die Gelegenheit zum intensiven Austausch – sowohl über konkrete Projektideen als auch über die strategische Rolle von XR und digitalen Zwillingen im Bauwesen. Damit zeigte „XR im Bau – Von Birlinghoven bis zum Mond“ eindrücklich, wie nah Praxis und Zukunftsvisionen bereits beieinander liegen.