Die Bau- und Immobilienwirtschaft in Deutschland steht zunehmend im Spannungsfeld Daten- und KI-orientierter Geschäftsmodelle. Studien prognostizieren, dass der deutsche KI-Markt allein bis 2031 auf etwa 37 Mrd. € (1) wachsen wird. Trotz dieses Potenzials bleibt die Durchdringung in vielen Unternehmen gering. Zahlen dazu liefert eine aktuelle Erhebung des Institut für Mittelstandsforschung (IfM Bonn). 81% der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland nutzen noch keine KI-Anwendungen.(2)
Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive zeichnen sich KI-orientierte Geschäftsmodelle vor allem dadurch aus, dass sie Daten als strategische Ressource nutzen, Prozesse automatisieren und Entscheidungen algorithmisch unterstützen, wodurch sie Wettbewerbsvorteile durch Effizienz- und Qualitätssteigerungen realisieren können. Aus technischer Sicht basiert dies häufig auf klassischer Datenanalyse, Bild- bzw. Sensordatenverarbeitung oder generativer KI-Modellen.
Vor diesem Hintergrund gewinnt eine systematische Einordnung bestehender KI-Akteure an Bedeutung. Die KI Taxonomie des Mittelstand-Digital Zentrum Bau bietet hierfür einen strukturierten Rahmen. Sie ermöglicht eine thematische und technologische Verortung von Unternehmen, die nachweislich KI- oder ML-basierte Lösungen in verschiedenen Phasen des Bauwerkslebenszyklus entwickeln oder einsetzen.
Sie ist als Arbeits- und Rechercheinstrument konzipiert, um verschiedene Akteure entlang des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks thematisch und technologisch einzuordnen. Der Nutzer kann, ohne die Unternehmen im Detail zu kennen, eine schnelle Übersicht erlangen und abwägen, welche Unternehmen ihm bei seiner individuellen Problemstellung unterstützen können.
Im Verlauf der Arbeit mit der KI-Taxonomie zeigten sich eine Vielzahl praxisorientierter KI-Lösungen, die aktuell in der Bau- und Immobilienwirtschaft erprobt oder bereits produktiv im Einsatz sind. Ein prominentes Beispiel stellt u.a. BauGPT/Crafthunt aus München dar. Als auf den Bereich der Bauwirtschaft spezialisierte sowie erste domänenspezifische generative KI demonstriert die Anwendung, wie generative Modelle auf branchenspezifisches Fachwissen, Normen und rechtliche Rahmenbedingungen trainiert werden können, um komplexe Regelwerke effizient zu interpretieren und kontextbezogene Antworten zu generieren.
Eine häufig vorkommende Kategorie in der Taxonomie sind Bestandsbewertungstools. Diese stellen KI-gestützte Funktionen zur Verfügung, um Bestandsgebäude je nach Ziel zu visualisieren, digitalisieren, analysieren, optimieren oder einige der Optionen kombiniert. Beispiele für solche Tools sind Predium sowie Voxelgrid.
Predium entwickelt eine KI-gestützte Plattform zur Bewertung und Steuerung von Sanierungs- und Dekarbonisierungsmaßnahmen im Gebäudebestand. Dazu führt das System unterschiedliche Datenquellen wie Energieverbräuche, technische Gebäudeinformationen und Standortfaktoren zusammen und ergänzt fehlende Daten durch Modellierung, Satellitenbilder und Referenzdaten. Auf dieser Basis berechnet Predium wirtschaftlich und energetisch sinnvolle Sanierungsoptionen, zeigt Kosten-Nutzen-Verhältnisse auf und priorisiert Maßnahmen nach Wirkung und Investitionsbedarf.
Das Unternehmen Voxelgrid hingegen illustriert den praxisnahen Einsatz von KI-gestützten Verfahren zur Gebäudevermessung. Die KI generiert aus komplexen Punktwolken verwertbare digitale Modelle von Gebäuden. Durch die Kombination von Sensordaten, Punktwolkenanalyse und Modellgenerierung zeigt sich, wie KI-basierte Systeme die digitale Bestandsaufnahme zu einem zentralen Bestandteil der Planungsprozesse weiterentwickeln.
Eine weitere Kategorie stellen unterstützende Tools für die Kreislaufwirtschaft dar. Laut einem kürzlichen Bericht der ARD-Tagesschau (3) muss das Bauen und Betreiben von Bauwerken im Zuge der Klimaneutralitätsziele deutlich effizienter werden.
Es entstehen dazu neue Netzwerke, als Beispiel genannt das Circle Hub in Offenbach. Knapp 70 Firmen arbeiten hier zusammen, um Baustoffe wiederzuverwerten oder zu recyclen. Wörtlich wird beschrieben: „Es gibt schon eine Tendenz: Die Architekten wollen gerade mit alten Gebäuden kreativ werden. Beton eignet sich hervorragend für Recycling."
In diesem Kontext finden sich in der KI-Taxonomie Akteure wie Reconmatic oder Wasteant, die digitale und KI-gestützte Ansätze zur Förderung der Kreislaufwirtschaft verfolgen. Diese und weitere Unternehmen entwickeln beispielsweise Systeme zur Erfassung, Klassifizierung und Wiederverwendung von Baumaterialien, digitale Materialpässe oder Plattformen zur Bestandserfassung und Rückbaufähigkeit von Gebäuden. Durch die Integration von Recognition-Verfahren, Datenanalyse und Entscheidungsunterstützungssystemen leisten sie einen Beitrag dazu, Materialströme transparent zu machen und Ressourcen im Bauwesen effizienter zu nutzen. Sie unterstützen unmittelbar zentrale Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, insbesondere SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur), SDG 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden) und SDG 12 (Nachhaltige/r Konsum und Produktion). Damit entwickeln sich Daten- und KI-informierte Geschäftsmodelle zunehmend zu einem zentralen Teil nachhaltiger Wertschöpfung im gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks.
Neben diesen Beispielen gilt es zu bemerken, dass sich die Branche derzeit in einer relativ frühen Phase der digitalen Transformation befindet. Viele der heute existierenden KI-Anwendungen entstehen oftmals als Insellösungen, sind also auf spezifische Teilprozesse fokussiert. Die KI-Taxonomie ist somit der Versuch Orientierung und Vergleichbarkeit zu gewährleisten, um Entwicklungen nicht nur zu verfolgen, sondern auch sinnvoll einordnen zu können.
Die entwickelte Taxonomie versteht sich daher nicht als abgeschlossene Übersicht, sondern als wachsende Struktur, die sich mit dem Fortschritt der Technologien und mit ihren praktischen Anwendungen weiterentwickelt. Sie soll ermöglichen, Werkzeuge und Ansätze aus einer übergeordneten Perspektive zu betrachten, Gemeinsamkeiten zu erkennen und Unterschiede wahrzunehmen.
Es soll abschließend zur Nutzung des Boards angeregt werden. Vielleicht versetzt es in die Lage potenzielle neue Lösungen für bestehenden und kommenden Probleme zu erkennen, vielleicht laufende Projekte mit den beschriebenen Ansätzen zu optimieren.
Das Board soll zum Vergleichen, Hinterfragen und Weiterdenken anregen und bleibt für die Zukunft bewusst offen für Ergänzungen und Anpassungen.
Sollten Sie Anmerkungen oder Ergänzungen zur KI-Taxonomie haben, schreiben Sie uns gerne über: info@digitalzentrumbau.de
- https://www.gtai.de/en/invest/industries/digital-economy/artificial-intelligence
- https://idw-online.de/de/news849607
- https://www.tagesschau.de/wissen/klima/klimakonferenz/klimaneutral-bauen-100.html