Herr Brückner, was können wir uns unter PropertyMax vorstellen?
Laurent Brückner: Es ist eine Methodik zur Optimierung von Baurecht auf Grundstücken – basierend auf Algorithmen und Künstlicher Intelligenz. Das zugrunde liegende Programm ist allerdings so individuell und projektabhängig anzupassen, dass es vom Kunden nicht eigenständig bedient werden kann. Deshalb bieten wir keine klassische Softwarelizenz an, sondern eine darauf basierende Dienstleistung. Wir „füttern“ das System mit projektspezifischen Parametern wie Grundstücksplan, Standort und weiteren Rahmenbedingungen. Diese Informationen liefern uns entsprechend der Angaben im Anschluss eine baurechtlich optimierte Lösung für das konkrete Grundstück. Seine Stärken spielt dieses Angebot insbesondere bei höheren Komplexitätsgraden aus. Je komplexer die Aufgabenstellung, umso mehr lohnt es sich.
Wie ist die KI-Lösung entstanden?
Brückner: Die Software wurde ursprünglich zum Zweck eines hochgradig vorgefertigten Innenausbaus einer exklusiven Wohnung in der Elbphilharmonie entwickelt. Da wir dort nur montieren, jedoch nicht bauen durften, benötigten wir unbedingt ein Werkzeug zur Organisation und Planung der Vorfertigung. Aus dem dabei gewonnenen Know-how entstand die Idee, die Ursprungslösung für ein neues System zur Baurechtsoptimierung auf Grundstücken zu nutzen. Der Einsatzbereich der Software wurde also entsprechend angepasst und die KI-Lösung umbenannt. Das Entwicklerteam dahinter ist aber bis heute dasselbe.
Das Unternehmen PropertyMax ist zudem seit sechs Jahren selbstständig, mit eigenständigem Geschäftsmodell, einem eigenen Team und eigenem Kundenstamm. Es beschäftigt vier Softwareentwickler und sechs operativ tätige Mitarbeiter, die direkt an den Projekten arbeiten. Darüber hinaus werden bei Bedarf punktuell Kolleginnen und Kollegen hinzugezogen. Und natürlich zählt Brückner Architekten auch zum Kundenkreis und trägt rund zwei bis drei Prozent zum jährlichen Umsatz bei.
Wie intensiv nutzten Sie das Produkt bzw. die Dienstleistung im Architekturbüro?
Brückner: Wir setzten die Lösung konsequent bei allen Projekten ein, für die sie geeignet ist, also eigene Grundstücksentwicklungen bzw. -voranfragen. Das tun wir zum einen, um durch eigene Erfahrungen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung beizutragen, zum anderen, weil das KI-Tool diese Aufgaben effizienter bewältigt als wir selbst.
Wieviel Zeit spart Ihnen das?
Brückner: Wir benötigen damit nur etwa ein Fünftel der Zeit, die ein Architekt für die gleiche Aufgabe aufwenden würde – eine Zeitersparnis von rund 80 Prozent. Wichtig dabei: Die Eingabeparameter sind identisch. Während ein Architekt daraus allerdings meist nur zwei bis drei Lösungen entwickelt, generiert die KI-gestützte Software mit denselben Daten bis zu 1.000 Varianten. Wir haben also nicht nur ein schnelleres Ergebnis, sondern können aus diesen vielen Varianten die optimalen Lösungen herausfiltern.
Ist die Qualität wirklich genauso gut wie bei einem erfahrenen Architekten?
Brückner: Nun, das Tool hat selbst hat keinen Gestaltungsanspruch, kann aber alles berechnen, was sich in Zahlen fassen lässt. Es gibt einfach nachvollziehbare, teils mathemisch belegbare Gründe für bestimmte städtebauliche Figuren oder Baukörper – etwa die Belichtungsqualität, die den Wohnwert stark beeinflusst. Die Aufgabe, auf Basis der Rechenergebnisse zu guten gestalterischen Ergebnissen zu kommen, obliegt dann wieder dem Planer. Er wählt aus, filtert ungünstige Ergebnisse und entwickelt anhand klarer Selektionskriterien weiter.
Für eine bestmögliche Lösung bzw. deren Weiterentwicklung braucht es also mehrere Parteien?
Brückner: Es braucht vier zentrale Parteien: Erstens den Bauherrn, der das Grundstück besitzt und dieses entwickeln will. Zweitens den planenden Architekten, der die gestalterische Verantwortung trägt. Drittens die KI-gestützte Lösung zur Entwicklung baurechtlich optimierter Lösungen. Und viertens den Baujuristen, der insbesondere im Kontext von §34 BauGB eine präzise Definition rechtlicher Parameter sicherstellt, um rechtssichere und qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen.
Wer sind die Kunden für das KI-Tool, oder besser: Die damit verbundene Dienstleistung?
Brückner: Der Kreis ist sehr vielfältig. Die Lösung ist ursprünglich aus unserem eigenen Bedarf als Projektentwickler entstanden, um schon in der Ankaufsphase schnell und fundiert bewerten zu können, was baurechtlich auf einer Fläche möglich ist. Zum Kundenkreis gehören heute daher vor allem klassische Projektentwickler aus allen Assetklassen. Dies umfasst Wohnen, Büro, Gewerbe, Einzelhandel, um frühzeitig Klarheit über Entwicklungspotenziale zu gewinnen – noch bevor architektonische Entwürfe entstehen. Dazu kommen Bestandshalter wie große Wohnungsbaugesellschaften oder institutionelle Investoren. Sie wollen ihre Immobilien weiterentwickeln oder ungenutzte Baurechtsreserven identifizieren. Auch ein kleiner, innovativer Kreis an Architekturbüros setzt die Methode gezielt zur Analyse und Optimierung in Projekten ein. Ein vielversprechender Bereich für die Zukunft sind zudem Kommunen: Im §34 BauGB-Umfeld, also wenn es um Projekte geht, die sich nach Art und Maß der Bebauung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die umliegende Bebauung einfügen, könnte die KI-getriebene Dienstleistung automatisiert Baurechtsreserven identifizieren. Bei klar definierten Parametern ließen sich aufwendige Einzelprüfungen damit teilweise ersetzen und die Potenziale effizienter bewerten.
Herr Brückner, Sie sind sowohl Architekt als auch Gesellschafter eines Software-Anbieters bzw. Systemhauses. Was ist der Unterschied zwischen beiden Geschäftsmodellen?
Brückner: Als Architekt begleite ich Projekte oft über viele Jahre. Das ist ein großvolumiges und langfristiges Geschäftsmodell. PropertyMax dagegen ist nur in einer kurzen Phase zu Beginn gefragt: Wenn es darum geht, schnell eine baurechtlich fundierte und gestalterisch inspirierte Lösung zu entwickeln. Es handelt sich also um ein kleinvolumiges, schnell abgewickeltes Geschäft – mit deutlich geringerem Umfang und Honorar als klassische Architekten- oder Generalplanerleistungen. Hier liegt ein anderer Projekttypus mit eigenem Rhythmus und Geschäftsmodell zugrunde. Der gesamte Projektzyklus dauert meist nur zwei bis vier Wochen. Danach arbeitet der Planer eigenständig mit dem gelieferten Ergebnis weiter.
Wie ist Ihr Interesse daran? Oder anders gefragt: Rechnet sich das KI-gestützte neue Geschäftsmodell auch finanziell für Sie?
Brückner: Das Interesse an unserer Lösung ist über die Jahre deutlich gewachsen. Dafür haben wir einiges getan, um unsere Sichtbarkeit zu erhöhen. Potenzielle Kunden müssen ja erst einmal wissen, dass es unsere Lösung gibt und dass sie funktioniert. Dazu ist Marketing notwendig. Und darauf aufbauend braucht es natürlich den Vertrieb, also Menschen, die gezielt auf die Kunden zugehen und deren Bedarf verstehen. Denn nicht jede Anfrage passt für beide Seiten. Umso wichtiger ist der persönliche Austausch, um gezielt helfen zu können. Über diesen Weg haben wir inzwischen eine starke Marktpräsenz aufgebaut.
Die Entwicklungsinvestitionen sind jedoch nach wie vor hoch. Sie liegen jährlich im siebenstelligen Bereich und müssen erst erwirtschaftet werden. In den letzten sechs Jahren haben wir zwar eine gute Lösung entwickelt. Doch ein wirtschaftlicher Erfolg stellt sich allerdings erst schrittweise ein – typisch für viele Tech-Unternehmen, die anfangs über Jahre hinweg mehr investieren als erwirtschaften. Anders als in der klassischen Architektur, wo auf die Leistung meist zeitnah ein Honorar folgt, ist im Software-Sektor längerer Atem gefragt. Wir investieren viel Zeit und Geld in die Entwicklung und die Automatisierung der Algorithmen – mit dem langfristigen Ziel, eine hundertprozentige Automatisierung des Bewertungsprozesses zu erreichen. Die Herausforderung ist dabei: Die letzten 20 Prozent dieses Weges verursachen 80 bis 90 Prozent des Gesamtaufwands bei uns.
Wie weit sind Sie aktuell auf Ihrem Weg zum Ziel?
Brückner: Wir kommen immer wieder an den Punkt, an dem uns neue Ideen einfallen, die uns zu neuen Anwendungen inspirieren. Ein aktuelles Beispiel: Wir haben eine Software entwickelt, die Bauanträge vollautomatisch prüft: Man kann eine DWG-Datei hineinladen, und das System vergleicht den Antrag mit den relevanten Genehmigungsparametern. Das ist ein faszinierendes Thema, weil in Deutschland zigtausende Menschen täglich manuell genau diese Prüfungen durchführen.
Hinzu kommt, dass wir sehr individuell unterwegs sind. Jedes Projekt bringt rund 30 projektspezifische Parameter mit sich, die stark variieren. Dadurch entstehen komplexe Einzelsituationen, die eine vollständige Automatisierung nicht immer sinnvoll oder überhaupt möglich machen. Und natürlich stellt sich dabei auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Ich würde sagen, das ist eher ein „Schönheitspreis“, den man damit gewinnt: Bei 1.000 Projekten jeden Monat würde ich die Investition in eine weitere Automatisierung weitaus intensiver vorantreiben. Bei aktuell vielleicht 30 Projekten pro Monat ist es wirtschaftlich allerdings oft sinnvoller, die letzten 20 Prozent eines Prozesses weiterhin manuell abzubilden, weil sich eine hundertprozentige Automatisierung nicht lohnt.
Hat es sich für Sie denn bisher trotzdem gerechnet?
Brückner: Ich bin überzeugt, dass der Wert dessen, was wir geschaffen haben, bereits heute deutlich über dem liegt, was wir investiert haben. Natürlich rechnet sich ein solches Vorhaben erst vollständig, wenn das Unternehmen den Break-even erreicht hat und sich über mehrere Jahre stabil am Markt behauptet. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Kurs sind. Das bestätigen uns nicht nur das wachsende Geschäft und der kontinuierliche Zulauf neuer Kunden. Auch die vielen wiederkehrenden Auftraggeber geben uns in diesem Punkt Recht.
Von Christine Ryll und Tim Westphal (Arge Kommunikation GbR) für das Mittelstand-Digital Zentrum Bau
Am 14. Oktober 2025 wird Laurent Brückner auch auf dem Online-Event “Auf Daten Bauen (Teil 1): Mit Künstlicher Intelligenz zu neuen Geschäftsmodellen” einen Vortrag halten. Hier finden Sie weitere Informationen zur Veranstaltung sowie die Möglichkeit zur kostenfreien Anmeldung.