Wertschöpfung und Knowhowtransfer
In ihrem Grußwort würdigt Sabine Döhmer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) das Engagement des Mittelstand-Digital Zentrum Bau unter der Leitung von Thomas Kirmayr als wertvollen Beitrag zur nachhaltigen und sicheren Digitalisierung von KMUs, Start-ups und Handwerksbetrieben. Als beispielhaft hebt sie die konkrete Umsetzung von Digitalisierungsprojekten und Demonstratoren, die Entwicklung eines ESG-Reifegradmodells zum Selbstcheck und den Aufbau eines qualitätvollen interdisziplinären Netzwerks hervor. Sie bezeichnet das Mittelstand-Digital Zentrum Bau als „Lotsen“ für KMUs in Zeiten digitaler Transformation. Als Eckpunkte für die künftige Förderung ihres Ministeriums nennt sie unter anderem Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit für den Mittelstand.
Thomas Kirmayr, Geschäftsführer der Fraunhofer Allianz Bau, bezeichnet seine Aufgabe als Leiter des Mittelstand-Digital Zentrum Bau als „Herzensangelegenheit“. Er ist überzeugt, dass „Wertschöpfung durch Digitalisierung in der Prozesskette entsteht und nicht in der Einzelanwendung“. In drei Jahren hat das Zentrum mit zahlreichen Partnern 807 Transferveranstaltungen durchgeführt, 100 Leitfäden und technische Berichte formuliert und mehr als 60 dokumentierte Digitalisierungsprojekte initiiert. Kirmayrs Mission bleibt es, diese Erfolgsgeschichte weiterzuerzählen. Denn die digitale Transformation ist keineswegs abgeschlossen, obwohl die Umsetzung des BIM Stufenplans ins Stocken geraten ist. Die Auftraggeberseite sei noch nicht durchqualifiziert, analysiert Kirmayr. Er sieht nicht einen Mangel an Lösungen, sondern einen Mangel an Nachfrage und formuliert folgende Lösungsansätze: Die Qualifizierung der Auftraggeber, klare Mandate für Verantwortlichkeiten in der Aufgabenverteilung, Standardisierung sowie Vernetzung und Verlinkung. Mit einem Vier-Punkte-Programm setzt er klare Leitlinien für Schulungsbedarf und künftige Entwicklung: Datenkompetenz, Datensouveränität, Datensicherheit und Datenvalidität. Die Gründung des Vereins Digital-Zentrum Bau e.V. solle dazu beitragen, Wissen zu sichern, bereitzustellen und das Netzwerk weiterzuentwickeln.
Mit einer Key Note zum Thema „Resilienz und Sicherheit“ spricht Prof. Dr. Clemens Gause Geschäftsführer des Verbandes für Sicherheitstechnik e.V. eines der aktuellsten und zukunftsträchtigsten Themen der Bau- und Digitalisierungsbranche an. Für die Sicherheitsbranche rechne er in den nächsten fünf Jahren aufgrund von Klimawandel und kriegerischen Auseinandersetzungen mit einem Umsatzwachstum von 100 Prozent. Er bezeichnet die IT als „zentrales Nervensystem“ eines Gebäudes und ist überzeugt, dass „Sicherheitsaspekte angesichts von Klimawandel, Krisen und Kriegen von wachsender Bedeutung sein werden.“
Prof. Dr. Steffen Warmbold, Leiter Grundsatzthemen beim Verband Beratender Ingenieure e. V. (VBI), prognostiziert im europäischen Kontext für Deutschland weiterhin einen erheblichen Aufholbedarf bei der Digitalisierung. Er verweist auf den Koalitionsvertrag, der in Aussicht stellt, „BIM zum zentralen Digitalisierungsinstrument im Bauwesen zu entwickeln“. Wesentliches Digitalisierungspotenzial sehe er in den Bereichen Nachhaltigkeit, Demografischer Wandel, Bauen im Bestand, KI und Cybersicherheit.
Birgit Sinnigen vom Fachbereich Bauwesen und Geoinformation der Jade Hochschule hält ein leidenschaftliches Plädoyer für open BIM und open CDE Common Data Environments sowie cloudbasierte Lösungen. Sie stellt die Vorteile der Echtzeit-Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten heraus. Mit einem gut organisierten Nutzer- und Datenmanagement können darüber hinaus Entscheidungsprozesse nachvollziehbar gemacht werden. Sinningen empfiehlt, den Gebäudebetrieb von Anfang an in der Planung mit zu berücksichtigen und die Chancen von KI für das Wissensmanagement in komplexen Planungsprojekten zu nutzen.
Digitale Baustelle
Dr. Christian Kreyenschmidt, verantwortlich für Digitale Transformation & Innovation beim Verband der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik e. V. (VDBUM) stellt die Bedeutung von digitaler Vernetzung und Datentransfer für Baumaschinen vor. Er bezeichnet die 200.000 mobilen Baumaschinen in Deutschland mit all ihren Anforderungen an Transportlogistik, Wartung und Teilemanagement als großes Ökosystem. Mit MiC Machines in Construction 4.0 präsentiert er dem Publikum ein Projekt zur digitalen Vernetzung miteinander kommunizierende Geräte, die in einer Prozesskette automatisiert aufeinander abgestimmt sind. Dank der Elektrifizierung von Baumaschinen gehe auch die Entwicklung vom Bagger zum Computer einher. Von wachsender Bedeutung sei die Remote Steuerung von Baumaschinen. Kreyenschmidt spricht in diesem Zusammenhang vom „Home Office für Baggerfahrer“ und würdigt die Ausbildung von Maschinenführern am Simulator und mit VR-Brille. Bei aller Leidenschaft für Autonomie und Automatisierung mahnt er jedoch, nicht nur zu erforschen, was technisch möglich ist, sondern sich die Frage zu stellen: Was ist menschlich sinnvoll?
Auch Dr. Stefanie Samtleben vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) präsentiert mit neuen Formen der Mensch-Maschine-Kollaboration Vorteile für die gesamte Wertschöpfungskette Bau. Angesichts der vielfältigen Schnittstellen, der vielfältigen Informationsbedarfe und der Daten- und Software-Vielfalt erklärt sie: „Wir müssen multilingual bleiben.“ In Künstlicher Intelligenz sieht sie die Chance, die hierfür notwendige Übersetzungsarbeit zu leisten. Sie empfiehlt, die BIM-Methode für den gesamten Lebenszyklus zu berücksichtigen – inklusive Ausführung und Betrieb. Und sie fordert: „Wir brauchen BIM-Durchdringung konsequent bis in die Kommunen.“
Facility Management
Im dritten Block des SynergieForums Bau rücken die Perspektiven des digitalen Facility Managements in den Fokus. In zwei fundierten Vorträgen wird hierüber zur Einführung Aufschluss gegeben.
Jürgen Schneider, Geschäftsführer vom Deutschen Verband für Facility Management e. V. (GEFMA) repräsentiert mit seinem Verband 1.100 Mitgliedunternehmen, darunter zahlreiche Nutzer, unter anderem Kommunen, Sportstätten und Kirchen. Er beobachte, dass es kaum noch Unternehmen gebe, die Planen, Bauen und Betreiben unter einem Dach anbieten. In der Regel seien dies unterschiedliche, geschlossene, unabhängige Geschäftsmodelle, die jedoch in einem BIM-Datenmodell zusammengeführt werden müssen. Er verweist auf die Bedeutung eines spezifischen „as planned BIM-Modells“ und dessen Nachführung zum „as built BIM-Modell“. Die Datenpflege sei für den effizienten Gebäudebetrieb sowie ein nachhaltig orientiertes Facility Management von entscheidender Bedeutung. Seine Kernbotschaften: „FM-Knowhow bietet ein enormes Potenzial für die Dekarbonisierung im Gebäudesektor“ und „die frühzeitige Einbindung des FM in den Planungsprozess hat einen positiven Effekt für den gesamten Lebenszyklus.“
Auch Rafael Gramm, Gruppenleiter Geschäftsfeldentwicklung am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (Fraunhofer IBP), sieht das Facility Management als einen „Motor für die Nachhaltigkeit“ angesichts der Tatsache, dass der Gebäudesektor für 38% der Treibhausgasemissionen, 40% des Primärressourcenverbrauchs und 55% des Müllaufkommens verantwortlich sei. Er fordert, vor dem Hintergrund der EU-Taxonomie-Verordnung, ambitionierte ESG-Ziele zu erreichen und hat dafür das ESG Readiness Network entwickelt. Anhand von drei Beispielprojekten unterschiedlicher Nutzungstypologien, vom Hotel über das Kaufhaus bis zur Produktion, wird mit dieser Initiative demonstriert, wie FM nicht nur zum Nachhaltigkeitsreporting für die Gebäudenutzung, sondern für den gesamten Bauwerkslebenszyklus eingesetzt werden kann. Rafael Gramm hebt außerdem hervor, dass weitere Pilotprojekte anderer Nutzungstypologien willkommen sind.
Panel 1
„Durchgängige digitale Prozesse im Bauwerkslebenszyklus – Planen, Bauen, Betreiben“
In einer Paneldiskussion führen Vertreter verschiedener Disziplinen die vielfältigen Aspekte der digitalen Prozesskette zusammen:
Gabriele Seitz, Referatsleiterin Digitalisierung bei der Bundesarchitektenkammer e.V. (BAK) beschreibt die besondere Rolle der Architekten: Als gestaltprägende Entscheider seien sie „nicht nur Datenkonsumenten, sondern Datenproduzenten“ und könnten damit einen erheblichen Mehrwert für den Bauherrn schaffen.
Marcel Kaupmann, verantwortlich für die Referate Digitalisierung und Ingenieurwesen bei der Bundesingenieurkammer e.V. (BIngK) verweist auf die besondere Verantwortung der Planer und Ingenieure für die Datenqualität. Sowohl bei der Übernahme von Geoinformationsdaten oder Daten aus Drohnenflug wie auch bei der Erzeugung und Weitergabe sei auf Qualität und Zuverlässigkeit zu achten: „Datenqualität hat mit Büroorganisation und professionellem Management digitaler Prozesse zu tun“, ist seine Erfahrung.
Clemens Schickel, Geschäftsführer Technik des Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung e.V. (BTGA), warnt davor, Daten ungeprüft und unreflektiert für die Fertigung zu übernehmen. Er ist darum überzeugt: „Ein valides Datenmodell bietet einen Riesenmehrwert“.
Die Architektin Leyla Afsar, Referatsleiterin Digitalisierung und Innovation beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. (ZDB), beobachtet, dass BIM im Handwerk nicht angekommen ist: In der Regel würden die Modelle nachgebaut. Sie fordert die einfache Zugänglichkeit sowie die langfristige Pflege und Verfügbarkeit von Daten, um auch bei Veränderungen im Bestand auf verlässlicher Grundlage arbeiten zu können. Gleichzeitig wünscht sie einen unternehmerfreundlichen Datenschutz, der die besonderen Belange des Handwerks berücksichtigt.
Mahmut Tümkaya, erster Vorsitzender des CAFM RING e.V. sieht im Mittelstand-Digital Zentrum Bau ein „sehr gutes Instrument, um Silos aufzubrechen und Sparten zu verbinden“. Er spricht sich dafür aus, nicht nur große Datenmengen in der Planung und Realisierung zu sammeln, sondern die Anforderungen der nachfolgenden Sparte FM zu verstehen und Daten zu operationalisieren, z.B. als digitales Facility Management für Hausmeister oder Reinigungskräfte.
Die Teilnehmer des Panels stimmen darin überein, dass die komplexe Prozesskette im Bauen ein größeres Verständnis für den spezifischen Bedarf im Facility Management sowie gemeinsame Standards erfordere.
Geschäftsprozesse, Innovation und Construct-X
Thomas Kirmayr stellt fest, die einzelnen Akteure seien „relativ robust geworden, was digitale Tools und Anwendungen in der eigenen Domäne betrifft“. Für durchgängige digitale Geschäftsprozesse brauche es aber „die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort – und das in Echtzeit“. Er verweist auf das Projekt Construct-X, mit dem ein neuer Datenraum geschaffen werde, um den Flickenteppich aus Insellösungen und die Medienbrüche in eine funktionierende Prozesskette zu überführen. Gleichzeitig sieht er großes Potenzial beim Daten-Handling mit Künstlicher Intelligenz.
Florian Koch, Geschäftsführer von KOCH Freiburg GmbH, und Matteo Morelli, Geschäftsführer von helpcode.ai GmbH, stellen mit helpcode.ai ein leistungsstarkes Beispiel für den Einsatz von KI-gestützten Problemlösungen vor. Aus einem traditionsreichen Großhandel für Türen, Beschläge und Schließsysteme haben sie ein KI-Tool für Service und Wartung entwickelt, das mit Chatbot und RAG-Agent Kunden zu Problemlösern ertüchtige.
Johannes Diemer, Leiter des Projektbausteins zur Test- und Demonstrationsumgebung für datenraumbezogene Anwendungen und Forschungskoordinator bei ARENA2036 präsentiert das Projekt Construct-X. Ziel sei es, mit Open-Source-Ansätzen eine transparente und nachhaltige Infrastruktur zu schaffen, die auch kleinen und mittelständischen Unternehmen zugutekommt. Die Methode ist aus der Automobilindustrie bekannt, erhält aber in Architektur und Bauprozess durch die Dynamik der Baustelle ihre ganz eigene Komplexität. Die Plattform sei bereits entwickelt, wie Diemer berichtet, die ersten zwei use cases würden im September gestartet. Mit der Fertigstellung dieses großmaßstäblichen Forschungs- und Entwicklungsprojektes werde in drei Jahren gerechnet. Weitere assoziierte Partner sind willkommen.
Panel 2
“Mit Daten Mehrwerte schaffen – Innovation und Nachhaltigkeit in der mittelständischen Bauwirtschaft”
In der zweiten Paneldiskussion diskutieren Vertreter von HDB, DIN und DGNB über konkrete Mehrwerte von Daten für Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und neue Geschäftsmodelle.
Marco Felscher, Leiter Abteilung Digitalisierung und Innovation bei der Bauindustrie / Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. (HDB) stellt neue Geschäftsmodelle auf Basis der Ökonomisierung von Daten in Aussicht und erklärt „Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern der Schlüssel, um nachhaltiger zu werden“ in Planung, Bau und Betrieb von Immobilien.
Anne Wittwer vom Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) ergänzt, dass dies nur funktioniere, wenn man die Abhängigkeiten innerhalb der Branche verstehe. Sie möchte mit ihrer Institution eine Plattform sein, um Akteure zusammenzubringen, Anforderungen an Daten zu formulieren und Rechtssicherheit zu schaffen. Transformation brauche praxisorientierte, sinnvolle Standards für Einfachheit, Schnittstellenmanagement und Datensicherheit.
Janine Gölz, Abteilungsleiterin Digitalisierung, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) erklärt, dass mit Datensouveränität auch Verantwortung für Daten einhergehe und wünscht sich eine „Single Source of Truth“, wie den DGNB Navigator.
Im Verlauf der aufschlussreichen Diskussion wird klar: Daten werden so intensiv genutzt, wie das Vertrauen in die Datenumgebung ist. Der Umgang mit digitalen Informationen setzt Transparenz mit Nutzungsrechten, Einheitlichkeit und offene Datenschnittstellen voraus. Und ganz entscheidend: Datenkompetenz muss als Grundfähigkeit für den Beruf in Architektur, Ingenieurwesen, Handwerk und Handel geschult werden.
Fazit und Ausblick
In seinem abschließenden Fazit zieht Thomas Kirmayr eine positive Bilanz der Veranstaltung. Das von Pia Päßler und Ralf Golinski kompetent moderierte SynergieForumBau habe die Bedeutung der drei wichtigen Handlungsfelder für den Mittelstand aufgezeigt: Datenkompetenz, Datenverfügbarkeit und Datensouveränität. Mit der Gründung des Vereins Digital-Zentrum Bau e.V. will er für Kontinuität des interdisziplinären Dialogs sorgen und stellt neue Programme in Aussicht. Ein Fokus werde darauf liegen, von der Software-Anwendung zu einer digitalen Architektur als offenes System zu kommen, in dem man sich im Planungs- und Bauprozess kontrolliert über Daten austauscht. So wird es möglich werden, den Mittelstand im Bauwesen in seiner Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen und Perspektiven für neue Geschäftsmodelle zu eröffnen.