Mit serieller Sanierung zu einer resilienten Architektur – Grundlagen


Um im Sinne der deutschen Klimaziele bis 2045 die Klimaneutralität zu erreichen, müssen rund 75 Prozent des gesamten Gebäudebestands energetisch saniert werden. Rechtzeitig machbar ist dies nur mit serieller Sanierung. Hierbei werden Bestandsgebäude im abgestimmten Zusammenspiel aus digitaler Planung, weitgehender Vorfabrikation und standardisierten Prozessen energetisch verbessert. So entsteht resiliente Architektur, die in der Zukunft erneut angepasst werden kann. Um die Umsetzung der Projekte zu unterstützen, fördert der Staat diese zusätzlich mit einem Bonus. Im ersten Teil unserer zweiteiligen Serie informieren wir über Ziele, Vorteile, Grundlagen und Fördermaßnahmen der seriellen Sanierung.

21, 35 und 75: Diese drei von der dena erhobenen Kennzahlen dokumentieren die Herausforderungen, vor denen Deutschland steht. Der Energieausstoß der rund 21 Millionen Gebäude in Deutschland trägt zu 35 Prozent des gesamten deutschen Energieverbrauchs bei. Der Energiebedarf in Bestandsgebäuden ist dabei bis zu fünfmal höher als der Energiebedarf in Neubauten. Dies verwundert nicht – wurden doch mehr als drei Viertel des hiesigen Altbaubestands noch vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1979 errichtet. Rund 65 Prozent der Fassaden in Deutschland sind noch ungedämmt, weitere 20 Prozent entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik. Dasselbe gilt für rund 70 Prozent der Anlagentechnik. Um die deutschen Klimaziele bis zum Jahr 2045 noch zu erreichen, müssten daher rund 75 Prozent, also rund drei Viertel des Gebäudebestands an die dafür notwendigen Anforderungen angepasst werden. Und das in relativ kurzer Zeit.

Sanierung contra Abriss und Neubau

Abriss und Neubau ist auch in Hinblick auf Ressourcenschutz und die gebundene graue Energie im Gebäude in den meisten Fällen keine Lösung. Zumal dieser direkte Weg dem Vergleich mit einer Sanierung in der Regel nicht standhält. Für die Sanierung sprechen gleich mehrere Punkte: Da sich alle wichtigen Bauelemente und Bestandteile einzeln erneuern oder energetisch modernisieren lassen, sind kernsanierte Gebäude den Neubauten qualitativ und architektonisch ebenbürtig. Bei der Sanierung fallen jedoch in der Regel (in Abhängigkeit vom Sanierungsstandard) weniger Kosten an. Darüber hinaus verursacht eine Sanierung unter Einbeziehung der Nutzungsphase nur die Hälfte des CO2-Fußabdrucks eines Neubaus. Gleichzeitig spart sie aufgrund des für einen Neubau notwendigen Mehrbedarfs an Rohstoffen auch noch viel graue Energie. 

Individualsanierung und ihre Grenzen

Doch auch Individualsanierungen mit vielen Einzelleistungen stoßen angesichts des Zeit- und Kostendrucks an ihre Grenzen. Hohe Materialkosten, gestiegene Finanzierungszinsen und fehlende Fachkräfte haben daher dazu geführt, dass die Sanierungsquote seit langer Zeit bei rund einem Prozent pro Jahr stagniert. Um die gesteckten Klimaziele dennoch zu erreichen, wäre stattdessen eine Verdoppelung der Sanierungsquote notwendig. Mindestens.

Mit der seriellen Sanierung zur resilienten Architektur

Möglich ist die Erreichung der Klimaziele jedoch über einen anderen Weg: mithilfe der seriellen Sanierung. Diese hebt Bestandsgebäude durch das Zusammenspiel aus digitaler Planung, weitgehender Vorfabrikation und standardisierten Prozessen (trotz des herrschenden Fachkräftemangels) schnell und kosteneffizient auf einen hohen energetischen Standard. Auf dem Weg dorthin kommen vorgefertigte Fassaden-, Dach- und Technikelemente zum Einsatz. Diese Elemente werden vom Handwerk mit Hilfe industrieller Methoden vorproduziert und können auf der Baustelle schnell montiert werden. Am Ende eines solchen Umbau-Prozesses steht zukünftig eine resiliente Architektur, also ein Gebäudebestand, der sich unaufwändig an neue Bedingungen anpassen lässt, ohne dass Abriss und Neubau in der Zukunft notwendig sind. 

90 Prozent weniger Energieverbrauch, Zeitverlagerung in die Werkstatt

„Bei allen bislang fertiggestellten Projekten, bei denen die serielle Sanierung angewandt wurde, sank der Energiebedarf um rund 90 Prozent“, zieht Ariane Steffen, Expertin Analysen & Gebäudekonzepte bei der dena, Bilanz aus den Erfahrungen ihrer Organisation bei der seriellen Sanierung. Zwar sei das Zeitersparnis-Potenzial noch nicht in allen Projekten ausgeschöpft, „da wir uns noch in der Marktentwicklungsphase befinden. In Mönchengladbach wurde Ende 2022 ein serielles Sanierungsprojekt innerhalb von vier Monaten fertiggestellt. Das ist die anvisierte Zielmarke. Im Vergleich dazu dauert eine konventionelle Sanierung bis zu 12 Monate.“ Sicher sei allerdings schon jetzt, dass sich bei der seriellen Sanierung rund 80 Prozent der Arbeiten von der Baustelle direkt in die Werkshalle verlagern.

Fördermaßnahmen unterstützen bei der Umsetzung

Um angesichts der positiven Ergebnisse den Einsatz serieller Sanierungsmaßnahmen noch mehr zu unterstützen, fördert der deutsche Staat diese nun mit einem Bonus. Dieser wurde im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude in den Förderprodukten „Wohngebäude – Kredit“ (261), „Kommunen – Kredit“ (264) und „Kommunen – Zuschuss“ (464) eingeführt. Erreicht die Immobilie durch die serielle Sanierung die Effizienzhaus-Stufe 40 bzw. 55 (also der Gesamtenergiebedarf bei 40 bzw. 55 kWh/m2a), erhält der Antragsteller 15 Prozent der in die Sanierung investierten Kosten als Zuschuss. Hinzu kommen Förderkredite der KfW-Bank, die zwei bis drei Prozent unter dem marktüblichen Zinssatz liegen. „Bei deutlich schnellerer Umsetzung ist die serielle Sanierung dann kostenseitig auf einem vergleichbaren Niveau wie konventionelle Lösungen. Die innovationstypischen Kostennachteile werden dabei durch maßgeschneiderte Förderinstrumente ausgeglichen“, erklärt Ariane Steffen den Hintergrund dieser Maßnahmen. 

Wann lohnt sich eine serielle Sanierung?

Von der seriellen Sanierung profitieren insbesondere mehrere baugleiche Gebäude. Diese können durch den optimierten Sanierungsweg zügig sowie kostengünstig auf einen hohen Energiestandard gebracht werden. „Laut Auswertung von Portfolioanalysen sind rund 40 Prozent des 21 Millionen Gebäude umfassenden Bestands (red. Anm.: 19 Mio. Wohngebäude zzgl. 2 Mio. Nichtwohngebäude) potenziell für eine serielle Sanierung geeignet“, nennt die Expertin Zahlen aus Analysen & Gebäudekonzepten. „Prädestiniert sind vor allem Gebäude aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahren mit einfacher Kubatur und schlechter Energieeffizienz, weil hier aus jedem investierten Euro ein Maximum an Energie- und CO2-Einsparungen resultiert.“

Energiesprong-Prinzip

Einen besonders vielversprechender Lösungsansatz der seriellen Sanierung stellt das sogenannte „Energiesprong“-Prinzip dar. Das in den Niederlanden entwickelte und seither in viele Länder exportierte System verknüpft höchstmögliche Energieeinsparung und kostenoptimierte Sanierung. Mehr über das „Energiesprong“-Prinzip und erste außergewöhnliche Vorreiter-Projekte wie das der GEWOBAU in Erlangen erfahren Sie im 2. Teil der Serie „Serielles Sanieren“ ab dem 8. August.


01.08.2023